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Präventionsverfahren und Kündigung schwerbehinderter Menschen – was gilt rechtlich?

Wann gilt der besondere Kündigungsschutz?

Schwerbehinderte Menschen genießen im Arbeitsrecht einen besonderen Schutz. Doch auch während der Wartezeit, in der der allgemeine Kündigungsschutz noch nicht greift, gelten wichtige Regeln. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12.09.2024 (Az.: 6 SLa 76/24) sorgt hier für Klarheit – und stellt eine ältere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Frage.

Präventionsverfahren auch in der Wartezeit verpflichtend

Das LAG Köln entschied: Selbst in der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG muss ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX eingeleitet werden, wenn schwerbehinderte Menschen betroffen sind. Das Gericht betonte, dass sich eine Ausnahme weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik des Gesetzes ergibt.

Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitgebers

Gleichzeitig räumte das Gericht Arbeitgebern in solchen Fällen eine Beweiserleichterung ein: Wird im Einzelfall deutlich, dass die Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht, kann sie auch während der Wartezeit wirksam sein. Im konkreten Fall konnte die Kommune glaubhaft machen, dass die Kündigung andere Gründe hatte – sie war damit rechtmäßig.

Was bedeutet das für die Praxis?

Arbeitgeber sind gut beraten, frühzeitig ein Präventionsverfahren einzuleiten – auch während der Probezeit. Dabei sollten interne Stellen, die Schwerbehindertenvertretung und ggf. ein Betriebsarzt einbezogen werden. Ziel ist es, die Arbeitsfähigkeit zu sichern und eine Kündigung möglichst zu vermeiden.

Der besondere Kündigungsschutz nach SGB IX

Außerhalb der Wartezeit gilt: Eine Kündigung gegenüber schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen ist nur mit Zustimmung des Integrationsamts zulässig. In Hessen ist hierfür der Landeswohlfahrtsverband zuständig. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung unwirksam.
Das Integrationsamt prüft dabei insbesondere, ob die Kündigung im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht. Es ersetzt allerdings nicht die arbeitsgerichtliche Kontrolle – etwa hinsichtlich Sozialauswahl oder betrieblicher Gründe.

Auch bei verhaltensbedingter Kündigung: Zustimmung erforderlich

Wird eine außerordentliche Kündigung wegen eines Fehlverhaltens ausgesprochen, muss das Integrationsamt ebenfalls zustimmen. Der Schutz gilt also auch bei verhaltensbedingten Kündigungen – eine Ausnahme besteht nur in absoluten Ausnahmefällen.

Was tun bei erteilter Zustimmung?

Wurde die Zustimmung erteilt, muss die Kündigung innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen. Dagegen sollten Betroffene nicht nur Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben, sondern auch Widerspruch gegen den Bescheid des Integrationsamts einlegen. Wird dieser zurückgewiesen, kann Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden.

Unsere Doppelkompetenz: Arbeitsrecht & Sozialrecht

In unserer Kanzlei in Gelnhausen werden Mandate im Zusammenhang mit schwerbehinderten Menschen interdisziplinär bearbeitet: durch Fachanwälte für Arbeitsrecht und Fachanwälte für Sozialrecht. So stellen wir sicher, dass alle rechtlichen Aspekte umfassend berücksichtigt werden.

Die krankheitsbedingte Kündigung – nur mit bEM!

Ein häufiger Fall: Eine Kündigung wird mit einer lang andauernden Erkrankung begründet. Doch so einfach ist das nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.12.2022 klargestellt: Ohne betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) ist eine krankheitsbedingte Kündigung in der Regel unverhältnismäßig.

bEM: Form und Ablauf

Ein bEM muss ordnungsgemäß eingeleitet werden – mit korrekter Einladung und datenschutzrechtlicher Aufklärung. Der betroffene Arbeitnehmer darf eine Vertrauensperson hinzuziehen, dazu gehört auch ein Rechtsanwalt.

Fazit

Schwerbehinderte Menschen genießen einen umfassenden Kündigungsschutz – und das bereits während der Wartezeit. Ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX ist frühzeitig einzuleiten. Eine Kündigung ist ohne Zustimmung des Integrationsamts nicht wirksam. Selbst bei Zustimmung ist eine Klage vor dem Arbeitsgericht und dem Verwaltungsgericht möglich.
Sie sind betroffen oder Arbeitgeber und wollen rechtssicher handeln? Unser Team aus Fachanwälten für Arbeits- und Sozialrecht unterstützt Sie kompetent und zuverlässig. Kontaktieren Sie uns für eine persönliche Beratung.
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